(Stuttgart) Die Schwerhörigkeit eines Kapitäns führt auch dann zur Berufsunfähigkeit, wenn grundsätzlich Hörgeräte das Hörvermögen im erforderlichen Umfang wieder herstellen könnten. Gemäß den Regelungen der Maritime-Medizin-Verordnung des Bundes ist Besatzungsmitgliedern des Decksdienstes das Tragen von Hörhilfen nämlich grundsätzlich untersagt.
Mit dieser Begründung, so der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit Urteil vom 27.3.2025, Az. 3 U 122/23 die beklagte Berufungsunfähigkeitsversicherung zur Zahlung von Berufungsunfähigkeitsrente verurteilt.
Der Kläger ist bei der Beklagten gegen Berufsunfähigkeit versichert. Im Herbst 2019 erklärte ihn der Seeärztliche Dienst seiner Dienststelle für seedienstuntauglich. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete er als Kapitän auf einem Containerschiff. Begründet wurde die Seeuntauglichkeit mit einer nunmehr festgestellten beidseitigen Schwerhörigkeit, die das Tragen von Hörgeräten erforderlich mache. Hörgeräte seien jedoch bei Besatzungsmitgliedern des Dienstzweigs Decksdienst unzulässig.
Die Beklagte lehnte den daraufhin gestellten Leistungsantrag des Klägers ab, da der Kläger die Schwerhörigkeit mit einem Hörgerät kompensieren könne. Die vor dem Landgericht erhobene Leistungsklage wurde im Hinblick auf die Teilkompensationsmöglichkeit durch das Tragen von Hörgeräten zurückgewiesen.
Auf seine hiergegen eingelegte Berufung hat das OLG nunmehr die Beklagte zur Zahlung von Berufsunfähigkeitsrente verurteilt. Zur Begründung führte der zuständige 3. Zivilsenat (Versicherungssenat) aus, dass der Kläger gemäß den Versicherungsbedingungen aufgrund „Kräfteverfalls dauerhaft und vollständig berufsunfähig“ sei. Die Schwerhörigkeit des Klägers stelle einen Kräfteverfall gemäß den Versicherungsbedingungen dar. Sie sei auch kausal für die Berufsunfähigkeit des Klägers. Der Seeärztliche Dienst habe Seedienstuntauglichkeit festgestellt. Dies habe der gerichtliche Sachverständige auch bestätigt. Als Besatzungsmitglied dürfe jedoch nur derjenige tätig werden, der seediensttauglich sei. Dem Kläger sei damit die weitere Ausübung seines Berufs als Kapitän im Decksdienst dauerhaft unmöglich.
Der Kläger könne den Versicherungsfall auch nicht durch das Nutzen von Hilfsmitteln abwenden. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Kläger mithilfe von Hörgeräten die in der Maritime-Medizin-Verordnung geregelten Werte einhalten könne. Dem Kläger sei als Besatzungsmitglied des Decksdienstes gemäß den Regelungen der Maritime-Medizin-Verordnung (Ziff. 3.4 der Anlage 1, siehe Erläuterungen) das Tragen von Hörhilfen nämlich grundsätzlich untersagt.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision vor dem BGH begehrt werden.
Henn empfahl, die Entscheidung zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA-Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
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